Das Leben der Else Lasker-Schüler. Eine Biographie

Was ich (auch) lese – ich stelle vor …

Kerstin Decker: Mein Herz – Niemandem. Das Leben der Else Lasker-Schüler.

Über die Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit der Else Lasker-Schüler, die sich mit meiner Sehnsucht paart und ich daher immer wieder zu lesen beginne …

Ein Buch, das viele Einblicke  in das bewegte und bewegende Leben und in die weite Welt ihrer Gedichte bringt; auch Erkenntnisse, – wenn Kerstin Decker über die Sprachfähigkeit der Menschen schreibt, die uns schlussendlich zur „Urkatastrophe schlechthin“ geführt hat.

„Die letzte Augustwoche des Jahres 1911 beginnt. Eine Frau geht nach Hause. Sie geht ins Café, in ihr Café. Oder sollte man sagen: Sie geht zur Arbeit?

Nur die Lebensbürger glauben, dass das drei grundverschiedene Dinge sind, ein Zuhause, eine Arbeit, ein Café. Und Thomas Mann. – Wann arbeiten diese Leute eigentlich?, fragte er beim Besuch des Lokals, um dessen Tische lauter Menschen seines Berufs saßen.

Jetzt! Jetzt arbeiten sie. …. „

So beginnt die in szenischer Erzählweise geschriebene Biographie.

Else ist eine meiner Lieblingsdichterinnen und ihr Buch immer in Griffweite, – um so manches Mal und immer wieder nächtens darin zu lesen.

Ich lese in ihrem Gedicht „Weltflucht“

„Ich will in das Grenzenlose

zu mir zurück,

…“

und ich erinnere mich an die letzten Zeilen meiner „Triest-Impressionen“, in denen ich so wie in anderen Gedichten auch über die Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit schrieb:

„Meine Augen suchen immer wieder die schmale Linie des Horizonts

Die unendliche Sehnsucht in mir – ein endloses Träumen –

Träumen ohne Grenzen

Hier finde ich es

Fast

Grenzenlos“

Kerstin Decker schreibt dazu:

„Das Grenzenlose meint einen Zustand, in dem die Umrisse von Ich und Welt noch nicht fest, also noch nicht getrennt waren, in dem alles Austausch war und universelle Nachbarschaft. Unsere Sprachfähigkeit ist nicht nur das, was den Menschen gegenüber allen Lebewesen emporhebt und auszeichnet, sie ist zugleich die Urkatastrophe schlechthin. Denn sie macht Gegensätze aus dem, was in den Anfängen eines jeden Menschen indifferentes Eins war. Das Ich ist nun nicht mehr weltlöslich, es steht der Welt gegenüber. Die Sprache lässt die Subjekt-Objekt-Scheidungen beginnen. Sie begründet die Herrschaft der Trennungen. Bis uns schließlich das Wort Sprache selbst zu naiv erscheint. Der Mensch auf der Höhe unserer Zeit spricht nicht, er tritt in Diskurse ein, er teilt sich mit, er kommuniziert. Die Bedeutungen sind längst fest geworden. Der Beruf des Dichters ist, es immer wieder etwas von diesen Trennungen rückgängig zu machen. Und das genau durch jenes Mittel, das einst zur Entmächtigung des Ungetrennten führte: durch die Sprache.

…… „

Über eine weitere Möglichkeit der Aufhebung der Trennung von „Ich und Welt“ erzähle ich, wenn ich über „Meditation / Achtsamkeit / Leben im Hier und Jetzt“ schreibe.

Alles, was zu einem Außerhalb geworden ist / – andere Menschen / Tiere / Umwelt /  – wird wieder vereint zu einem „einSein“.

„Die Urkatastrophe schlechthin“ – das Denken in Gegensätzlichkeiten und den Trennungen von Ich und die Welt / Ich und die Anderen / Ich und die Natur – brachte uns Corona.

Das ist bedenklich …

Und neben aller Bedenken oder gerade deshalb auch – lesen und schreiben wir über die Liebe …

Liebe

Weißt du, daß du gefesselt liegst

In meiner wilden Phantasie …

Damit du mich mit Küssen besiegst

In den schwarzen Nächten, in der Dämm’rung früh.

Weißt du, wo die Anemonen stehn

Rotfunkelnd, wie ein Feuermeer …

Ich hab’ zu tief in die Kelche gesehn

Und lasse die Sünde nimmermehr.

Und wäre sie noch so thränenreich –

Und stürbst du in meiner sengenden Glut …

Meine Hölle verbirgt dein Himmelreich,

Und zerschmelzen sollst du in meinem Blut.

(Else Lasker-Schüler)

Bild: Else Lasker-Schüler Selbstbildnis

Die Schönheit der Worte

Ich entdecke die Schönheit und Intensität des langsamen Lesens.

Manchmal lese ist laut / betone die Worte / die Sätze – immer anders, auf der Suche nach dem richtigen Ton. Der Ton macht die Musik – und die Worte beginnen zu klingen …

Manchmal lese ich in Gedanken laut und höre mich in meinem Innersten die Worte aussprechen, die dadurch an Bedeutsamkeit und Fülle gewinnen. Je öfter ich laut lese, desto besser gelingt das Hören der inneren Stimme.

Und ich frage mich, wann ich begonnen habe, zur Schnellleserin zu werden, – den Inhalt eines Satzes zu erfassen, ohne jedes einzelne Wort zu lesen. Einzelne Worte zu verschlucken ohne sie zu genießen, so wie man eine Speise in sich hineinschlingt und die verschiedenen Aromen nicht mehr wahrnimmt.

Habe ich begonnen, als meine Eigenmächtigkeit über meine Zeit zu Ende ging, damals, als ich als heranwachsendes Mädchen Haushaltsarbeiten übernehmen sollte und ich mit meinem Buch, versteckt unter meiner Schürze, in einem Winkel verschwand, um schnell noch ein paar Zeilen zu lesen, bevor der Ruf mich erreichte – „steckst du deine Nase schon wieder in ein Buch?“ / „hast du nichts zu tun?“

War es als bereits erwachsene und berufstätige Frau, und ich nicht wusste, was ich als Erstes und als Nächstes lesen sollte. Gab es doch so vieles, das mich interessierte – und ich mich in meinen vielen Interessen verlor. Die Worte nicht zu Ende lesen konnte, – sie in ihrer Tiefe gar nicht mehr erfasste.

Heute nehme ich mir Zeit.

Je weniger Lebenszeit mir bleibt, desto mehr Zeit nehme ich mir.

Nicht nur beim Lesen. In allem.

Sich von der Geschäftigkeit des Lebens frei machen schafft Gegenwart. Das „Hier und Jetzt“ – über das ich bereits so oft geschrieben habe.

Also hat das „Jetzt“ auch Eingang ins Lesen gefunden.

„das Buch in meiner Hand

so viele Worte für die Stille der Nacht

das Schweigen im Raum wird tiefer

die Schatten dunkler

die Stunden schreiten voran

so viele Worte die den Raum erhellen“

habe ich in einem Gedicht geschrieben.

Gerne würde ich so manche Worte und Sätze in anderen Sprachen lesen.

Wie würden sie klingen?

Wie sich anfühlen?

Das habe ich versäumt.

In der Zeit, in der ich noch viel Zeit vor mir hatte.

Doch, – kein Bedauern.

Es ist, so wie es ist.

Es ist gut, so wie es ist.

Viele Sätze, die ich jetzt, in der „langsamen Zeit“, gelesen habe, könnte ich anführen. Soeben habe ich die Worte von Vasily Smirnov gelesen:

„Seit Tagen fällt Schnee in großen, langsamen Flocken. Wenn ich vor die Tür trete, ist es zuerst, als hörte ich nur Stille. Nach einiger Zeit dann höre ich das Geräusch der fallenden Flocken. …“

Solche langsamen und stillen Sätze können mich bezaubern. Lese ich mit großer Bewunderung. Ich kann sie nicht oft genug lesen. Langsam.

Und ich kann die großen Schneeflocken auf meiner warmen Hand sehen und spüren. Sie schmelzen und laufen in Tropfen über meinen Handrücken auf mein Buch.

Welch ein Zauber der Worte.

~~~~~~

Den Text von Smirnov habe ich im Buch „Das Gewicht der Worte“ von Pascal Mercier gelesen, das mich angeregt hat, diesen Text zu schreiben.

~~~~~~

Schreiben macht keine neuen Menschen. Aber es schafft Klarheit und Verstehen. Oder doch den Anschein. Und wenn man mit seinen Worten Glück hat, ist es wie ein Aufwachen zu sich selbst, und es entsteht eine neue Zeit die Gegenwart der Poesie.“

(Pedro Vasco de Almeida Prado)

Aus Pascal Merciers Buch “Nachtzug nach Lissabon”

26 05 2020

Schreiben Sie den wahrsten Satz, den Sie kennen …

“All you have to do is write one true sentence.

Write the truest sentence that you know.”

(Ernest Hemingway)

„Alles was Sie tun müssen, ist einen wahren Satz zu schreiben.

Schreiben Sie den wahrsten Satz, den Sie kennen.“

I Wortlos im Schweigen

Seit einiger Zeit schon versinke ich im Schweigen auf der Suche nach meiner Sprache. Leise schält sich durch verschiedene Schichten des Seins ein ursprüngliches Sein heraus, das eine andere Sprache spricht.

Wie eine Fremdsprache muss ich es neu lernen.

Auf der Suche nach Worten spaziere ich über die Felder / umkreise die Seen / sitze beim Schreibtisch und schaue in den Garten …

Ich stehe in der Stille des Sees.

Nein, nicht der See ist still.

Die wahren Worte sind – „der See und ich sind eins“.

Nur wenn es ganz still wird in mir, sind wir eins.

Ich bin die Stille.

Aus den langen, dunkelgrünen, spitz zulaufenden Blättern der Iris ragt der schlanke Blütenstamm der gelben Schwertlilie.

Über mir am Baum krächzt ein Rabe.

Das Schauen lenkt mich ab vom Sein.

Ich kehre mit meiner Aufmerksamkeit zurück zum Atem und atme – ein und aus …

Eines meiner Mantren – „So Ham – Ich bin (das)“ …

Mit dem Einatmen – So – mit dem Ausatmen – Ham – „Ich bin, die ich bin“ …

Ich bin der See / die Schwertlilie / der Rabe …

Ich bin das …

Ich sitze beim Schreibtisch und suche nach Worten.

Und all die Worte geben meine Erfahrung – das SoSein – nicht wieder.

Gibt es den wahren Satz / die wahren Worte – um das SoSein beschreiben zu können? Ist das SoSein nicht jenseits der Worte?

„(…) In schweigenden Menschen liegt eine Wahrheit,

eine Güte,

die man nur schweigend lernen kann. (…)“

schreibt Bruno Mesa in seinem Gedicht „Schweigend“. 1)

„Eine Wahrheit, die man nur schweigend lernen kann …“

Die Wahrheit jenseits der Worte?

„Ich habe den Mund meiner Seele geöffnet und deinen göttlichen Atem eingesogen.“ (Anonyme Quelle)

Nochmals Bruno Mesa:

„ (…) In ihrem Sein liegt ein Rausch

und eine Wahrheit, älter

als die Wahrheit selbst. (…)“

Nach all diesen Worten zum SoSein eine Erzählung über mein kleines Mädchen, das einstmals, als die Welt noch ganz anders war als heute, all diese Fragen nicht gestellt hat. Jenseits aller Worte war sie einfach da – „So Ham“.

Sie war ein Gartenkind und lebte in ihrem Kindheitsgarten. Alles, was sie sah, entzückte sie – „in ihrem Sein war ein Rausch“. Sie war das Gänseblümchen, dem sie täglich beim Wachsen zusah, – ohne den Wunsch, es pflücken zu wollen. Sie saß stundenlang in der Astgabel am Apfelbaum und beobachtete die Ameisen, die die Ameisenstraße entlang liefen. Hinauf und wieder hinunter. Es gab nichts Spannenderes als diese Ameisen. Und – ich möchte heute sagen – mit Ehrfurcht sah sie zu.

So Ham – ich bin (das) – sie war das Gänseblümchen, die Ameisen, der Schmetterling; und sie war die Ribisel – die sie liebevoll und achtsam von der Staude pflückte und sie mit geschlossenen Augen verspeiste, – welch ein Genuss.

Wann war sie nicht mehr So Ham?

Als sie die Worte kennen lernte und sich ihr Märchenbuch mitnahm in die Astgabel? Noch immer Acht gebend auf die Ameisenstraße, aber versunken in den Worten der Geschichten …?

War es als sie in Schule kam und schreiben und rechnen lernte …?

War es als sie die schmerzliche Erfahrung machte, dass ihr „Ich bin, die ich bin“ nicht erwünscht war / nicht in Ordnung war …?

In den letzten Jahren habe ich mich von vielen Bildern, die ich über die Welt und mich hatte, verabschiedet. Ich habe vieles herausgeschrieben aus mir und mich verabschiedet – vor allem in den Erzählungen –  „Hineinwachsen in mich – mein 70. Geburtstag – ein neuer Lebensabschnitt“ / „Medea geht in Pension“ / „Vom Vergeben und Verzeihen“ …

II Wortlos in der Ekstase

Die andere Seite der Medaille – Schweigen und Stille -, ist die Ekstase. Das Leben beruht auf Gegensätzen – Tag und Nacht / Sommer und Winter / Leben und Tod …

Die andere Seite des Schweigens ist Musik und Tanz.

Sich ganz in der Musik verlieren – eins werden mit den Tönen – sich selbst / das Ich – vergessen und sich mitnehmen lassen in einen anderen Raum.

Wenn ich meinen Körper / jede Zelle meines Körpers / mit den Tönen der Musik mitschwingen lasse, kann ich zu jeder Musik tanzen. Und es wird immer anders sein. Ganz gleich ob das Musik von Bach / Mozart / oder Pink Floyd ist. Ganz gleich ob Gregorianische Gesänge oder Oshos Tanzmeditationen sind.

Osho schreibt:

„Musik ist Meditation – kristallisiert in einer bestimmten Dimension. Meditation ist Musik – ins Dimensionslose aufgelöst. Sie sind nicht zwei. (…) Du gehst in ihr auf, du wirst betrunken in ihr. Etwas aus dem Unbekannten senkt sich über dich … (…) Du bist auf einmal in einem tiefen Orgasmus mit dem Ganzen; mit dem All. (…) 1)

So Ham …

„(…) Du atmest ein und du atmest aus, und darin ist Rhythmus und Harmonie. Das Einatmen ist weder gegen das Ausatmen noch ist das Ausatmen gegen das Einatmen. Beides gehört ein und demselben Vorgang an. (…)“ (2)

Die vergessene Sprache der Ekstase.

Auch hiefür gilt es Worte zu finden.

In meiner Erzählung „Das Geheimnis des Berges“ habe ich über eine Wanderung auf einen Berg im Anagagagebirge auf Teneriffa erzählt. Der Berg hat mich gerufen, und als ich ihn verließ, schrieb ich: „(…)Wenn ich längst zu Hause sein werde – wieder weg von der Insel –  und ich weiß nicht, wie viele Jahre lang, wird er noch immer Einatmen – den einen Atemzug, den er begonnen hat, als ich bei ihm war. (…)“

So Ham …

Ohne Abschied nichts Neues.

Ohne Loslassen nichts Neues.

Ich schreibe weniger.

Ich schreibe anders.

Ich habe die wahren Worte noch nicht gefunden – vielleicht in Ansätzen erahne ich sie …

~~~~~~~~~~~~~

Hier das Gedicht von Bruno Mesa, aus dem ich zitiert habe:

Schweigend

In schweigenden Menschen liegt eine Wahrheit,

eine Güte,

die man nur schweigend lernen kann.

Doch auch in den Steinen,

der Parkbank

und dem quietschenden, verlassenen Stuhl:

eine Bitte und eine Wahrheit.

In diesen Dingen erlöse ich mich täglich,

gehe ungewollt auf sie zu.

Sie bejahen in ihrer Sprache,

was ich in meiner nicht sehen kann.

In ihrem Sein liegt ein Rausch

und eine Wahrheit, älter

als die Wahrheit selbst.

(Bruno Mesa, übersetzt von Magdalena Kotzurek) 1)

Info:

1) Grand Tour. Eine Reise durch die junge Lyrik Europas; Hanser Verlag

2) Das Buch, 1988 gekauft hieß damals: Das Orangene Buch. Die Meditationstechniken von Bhagwan Shree Rajneesh

Heute heißt es: Das Orangene Buch. Die Osho Meditationen für das 21. Jahrhundert; Innenwelt Verlag

3) Osho: Glück, Ekstase und das Lied des Seins. Über die poetischen Verse des Mystikers Kabir; Innenwelt Verlag

Ich und mein Tagebuch

001

Mein Tagebuchschreiben begann mit 30 Jahren, nachdem ich meiner Mutter den Schlüssel für meine Wohnung abgenommen hatte. Mir reichten ihre Kontrollgänge durch meine Wohnung und die in Fragen verpackte Missbilligung – warum das und warum dieses – und – ihre Ordnung in meiner Wohnung herzustellen.

War nicht einfach für mich, mit 30(!) Jahren meine Unabhängigkeitserklärung bekannt zu geben. Das war Artikel 1. Artikel 2 folgte auf dem Fuß, als ich es ablehnte weiter finanzielle Zuwendungen anzunehmen. Artikel 3 etwas später, als ich den damaligen abgestandenen Mief der Kleinstadt verließ und nach Wien zog.

Und wie bei jeder Unabhängigkeitsbestrebung ging das nicht so einfach über die Bühne – es gab Aufstand und Krieg. Zum Krieg kam es erst etwas später, Aufstände gab es zur Genüge.

Aber diese Geschichten gehören nicht hierher – geht es doch um das Tagebuchschreiben …

Tagebuch 1984:

„Ich frage mich, ob es wohl je in meinem Leben eine Zeit geben wird, in der ich ohne schlechtes Gewissen das machen kann, was ich möchte. Des Weiteren frage ich mich, ob es uns wohl noch gelingen kann, meine Tochter zu einem glücklichen, zufriedenen Leben zu führen. Ich fürchte bereits jetzt wieder die Vorwürfe der Familie, wo ich mir doch selbst genug mache und nicht klar komme damit.“

Das Tagebuchschreiben war ein Beginn – ein Beginn, mit dem ich meinen täglichen Ärger und Enttäuschung mit und über meine Mutter reinschreiben konnte. Als sie noch jederzeit Zutritt zu meiner Wohnung hatte, wäre das nicht möglich gewesen. Ich machte eine Therapie und meine Mutter verschwand aus meinem Tagebuch. Doch bevor ich mit meiner Psychotherapie begann machte ich noch eine Woche Naikan. Dies habe ich in meinem Tagebuch nachgelesen – so vieles vergisst man mit der Zeit.

Was Naikan ist, siehe unten.

Tagebuch 2003:

„ich musste erst so weit weg wie möglich von euch

um mich euch wieder annähern zu können.

weggehen müssen um zu der zu werden, die ich bin,

sonst wäre ich zu der geworden, die ihr haben wolltet“

Dann trat er in mein Leben. Der schwarzhaarige Jüngling, mein Liebster, der nicht nur Tagebuch schrieb, sondern auch Gedichte. Ich liebte und bewunderte ihn dafür – und entdeckte das großartige Wunder der Poesie auch in mir.

Und irgendwann,  später noch, las ich im Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron und darin ihren Übungsvorschlag der Morgenseiten. Und damit veränderte sich mein Schreiben nochmals – es wurde eine spirituelle Praxis – vergleichbar einer Meditation. Ich schrieb und schrieb und las mir das Geschriebene immer erst nach ein paar Monaten durch. Und siehe da – auf manchen Seiten stand ein literarischer Text. Einfach so.

Und mit der Zeit, da arbeitete ich bereits als Psychotherapeutin, habe ich das Buch – ich weiß nicht wie oft – vielen meiner KlientInnen empfohlen. Nicht nur die Morgenseiten sind gut, alle anderen Übungen auch.

Nun habe ich in den letzten Jahren mein Tagebuch in meinen Computer geschrieben.

In der letzten Zeit dachte ich schon öfter an die mit der Hand geschriebenen Morgenseiten. Und heute – der letzte Anstoß meine Morgenseiten wieder mit der Hand zu schreiben.

Und jetzt weiß ich, dass ich die Freude über das Fühlen des Papiers unter meiner Hand und mit den Fingern den Stift zu halten, vermisst habe. Den Stift aufzusetzen und Worte entstehen zu lassen; meine Handschrift zu sehen, die ganz unterschiedlich sein kann und damit meine Gefühle zum Ausdruck bringt. Die Farbstifte liegen daneben, so wie immer, und manchmal gibt es eine kleine Zeichnung dazu oder ich nehme nur einen oder mehrere Farbstifte und übermale den Text mit einer Farbstimmung …

Tagebuch 2018:

„Mächtiger Nussbaum verwurzelt

grüne Pracht vor blauem Himmel

regungslos

kein Blatt bewegt sich

 

Die Freiheit nichts zu tun

regungslos

Seelenruhe“

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Im Link könnt ihr ab Seite 11 über die Morgenseiten lesen:

https://www.droemer-knaur.de/livebook/LP_978-3-426-87360-1/downloads/livebook.pdf?fbclid=IwAR0h0sP4P3-iTLFhwpF1x_vIuremw4n1Or81OrB3IZZLnJ2Nq9gP3kIC-HQ

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Zu Naikan – was ist Naikan?

Die Naikan-Methode kommt aus Japan und kombiniert drei Elemente:

  • Ordnung im Innenleben mit einer einfachen Fragestellung
  • die Kraft der Stille
  • sanfte, respektvolle Begleitung

Ich erforsche mein eigenes Leben und strukturiere die Ereignisse, an die ich mich erinnern kann:

  • Ins Zentrum der Betrachtung stelle ich eine Bezugsperson (zuerst Mutter, danach Vater, Geschwister, Partner …).
  • Ich betrachte einen klar begrenzten Zeitraum und folge dabei meinem eigenen Lebensweg (als ich 0-6 Jahre alt war, danach 6-10 usw. bis heute).
  • Meine Erinnerungen durchleuchte ich im Hinblick auf 3 Fragen.

Die drei Naikan-Fragen sind:

  1. Was hat die Person, die ich betrachte, in diesem Zeitraum für mich getan?
  2. Was habe ich für diese Person getan?
  3. Welche Schwierigkeiten habe ich dieser Person verursacht?

Diese einfachen drei Fragen ermöglichen ganz neue Perspektiven auf die eigene Lebensgeschichte und das eigene Verhalten.

Aus der Seite von Johanna Schuh, Insightvoice Naikan Center Vienna

https://www.insightvoice.at/index.html

 

Radiointerview zu meinem Buch „LebensZeichen. Erzählungen übers Älterwerden und mehr …“

Paradise 2

Hier gibt es den Link zum Nachhören der Radiosendung im Campus & City Radio St. Pölten vom 23. Oktober 2018. Die Redakteurin Gabriele Ebmer schreibt zur Sendung:

„Die Psychotherapeutin und Autorin Monika Krampl beschäftigt sich in ihrem neuen Buch „LebensZeichen“ mit dem Thema „Alt Werden“ und den Erfahrungen, die sie dazu veranlassten, sich mutig zu Tabuthemen unserer Zeit zu äußern.“

Die Musik, die während der Sendung gespielt wird, habe ich mitgebracht. Hört euch am Ende, wenn wir uns schon verabschiedet haben, noch das letzte Stück an – eines meiner LieblingsGustoStückerln von Konstantin Wecker!

 

https://cba.fro.at/386289?fbclid=IwAR0ENF4r3Y1KsQni-nMWz_pBDLKm-jLN13_JkEZoPkzM3147kloEAZbYr30