395 Stufen in die Einsamkeit

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Aus meinem ErinnerKarton: Im Jahre 2009 war ich vom 1. bis 7. Mai Eremitin in der Türmerstube im Mariendom in Linz.

68 m hoch, 395 Stufen. Ein Projekt im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres. Woche für Woche lebten in diesem Jahr ErmetInnen in der Türmerstube.

Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Seit tausenden von Jahren ziehen sich Menschen zurück, um in die Tiefe zu gehen und einen neuen Blick auf das Leben zu erhalten.

Trotz Stromanschluss benutzen wir in der Zeit weder Computer noch Mobiltelefon. Unsere persönlichen Reflexionen in dieser Woche notierten wir in ein Tagebuch, das von EremetIn zu EremitIn weitergegeben wurde. Ein schönes Ritual zum Ankommen, wenn man von der vorherigen Eremitin das Tagebuch übergeben bekommt, und am Ende dieser Schweigezeit mit einem gemeinsamen Essen es wieder weitergibt.

Eine der ersten Fragen, die mir gestellt werden, ist die: Was hast du denn da gegessen?

Nun, es gab eine winzige Küchenzeile. Man konnte Kaffee und Tee kochen, sich das Frühstück zubereiten. Und täglich ging es zwei Mal die 395 Stufen über eine Wendeltreppe hinunter und wieder hinauf. Vormittags, um einen Rucksack mit dem zubereiteten Mittag- und Abendessen abzuholen, und nachmittags um ein kurzes Gespräch mit einem spirituellen Betreuer zu führen.

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Die Türmerstube ist ganz oben, unter dem Dach, darunter die Glockenstube. Ein überwältigendes Erlebnis, das Läuten der Glocken nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen, wie sie sich langsam in Bewegung setzen und zu spüren, wie der Boden der Glockenstube zu schwingen beginnt. Der Rundgang über den winzigen Balkon hoch über den Dächern von Linz, mit Ausblick auf die Donau, ein tägliches Ritual – den Menschen ferner, dem Himmel näher.

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Stille

dröhnt

in den Ohren

Ausklang

der Unruhe

 

Stille

atmet Ein und Aus

Rhythmus

der Weltenseele

 

Stille

Raum schaffen

 

Stille

Ankommen

(M.K., 6. Mai 2009)

 

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